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Hinweisgeberschutzgesetz - Überblick über die Neuerungen und die aktuellen Handlungspflichten
Am 02.06.2023 wurde das sogenannte Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) im Bundesgesetzblatt verkündet und ist am 02.07.2023 in Kraft getreten. Das HinSchG setzt die sog. EU-Whistleblower-Richtlinie (EU-Richtlinie 2019/1937 vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden) um. Mit dem HinSchG soll der Schutz hinweisgebender Personen und sonstiger von einer Meldung betroffener Personen gestärkt werden. Gleichzeitig soll sichergestellt werden, dass diesen keine beruflichen Benachteiligungen drohen.
Hinweise von sogenannten Whistleblowern können sehr wertvoll sein, indem sie dazu beitragen, Rechtsverstöße aufzudecken bzw. zu verhindern. Um diese Hinweisgeber zu schützen und dazu zu bewegen, dass Insider-Kenntnisse über bestehendes Fehlverhalten ohne Angst vor Nachteilen weitergegeben werden, verpflichtet das Gesetz nun Unternehmen und Behörden, sichere Meldewege einzurichten und verbietet Repressalien gegen Hinweisgeber. Im Folgenden wollen wir Ihnen einen Überblick geben, welche Neuerungen nun im Zusammenhang mit dem sogenannten „Whistleblower-Gesetz“ auf Sie zukommen und welche Maßnahmen Sie kurzfristig umsetzen müssen.
Das Hinweisgeberschutzgesetz
Überblick über die Neuerungen und die aktuellen Handlungspflichten
1. Zielsetzung des HinSchG und persönlicher Anwendungsbereich
Nach § 1 Abs. 1 setzt sich das HinSchG zum Ziel, natürliche Personen zu schützen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Gesetzesverstöße erlangt haben und diese an die nach dem HinSchG vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen. Zu dem geschützten Personenkreis zählen dabei nicht nur derzeitige Arbeitnehmer, sondern auch Stellenbewerber, Praktikanten, Leiharbeiter, ehemalige Beschäftigte sowie Lieferanten und deren Mitarbeiter. Zusätzlich dazu werden Personen geschützt, die Gegenstand einer Meldung oder Offenlegung sind oder auf andere Weise durch sie betroffen sind, § 1 Abs. 2 HinSchG.
2. Der sachliche Anwendungsbereich
Hinweisgebenden Personen kommt der Schutz des HinSchG zu, wenn sie insbesondere
- Verstöße gegen Strafvorschriften,
- Verstöße, die mit einem Bußgeld bedroht sind (vorausgesetzt die verletzte Norm dient dem Schutz von Leib, Leben oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane),
- Verstöße gegen Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder, teilweise zur Umsetzung bestimmter europäischer Regelungen, sowie unmittelbar geltende Rechtsakte der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft in verschiedenen Bereichen, Verstöße gegen die Pflicht zur Verfassungstreue durch Äußerungen von Beamtinnen und Beamten
melden.
[Hinweis: die vorstehende Auflistung ist nicht abschließend und dient nur der Veranschaulichung!]
3. Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle
Aktuell müssen Sie überprüfen, ob Ihr Unternehmen („Beschäftigungsgeber“) zur Einrichtung einer internen Meldestelle verpflichtet ist. Dies ist abhängig von der Anzahl der Personen, welche Ihr Unternehmen in der Regel beschäftigt.
Hier gilt ein drei Stufen Prinzip:
- Beschäftigungsgeber mit in der Regel bis zu 49 Mitarbeitern sind von der Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle ausgenommen ( es sei denn, Ihr Unternehmen ist ein Finanzdienstleistungs- oder Versicherungsunternehmen. Für diese gilt die Pflicht zur Einrichtung einer Meldestelle unabhängig von der Beschäftigtenzahl; vgl. § 12 Abs. 3 HinSchG ). Aber: Das bedeutet nicht, dass das HinSchG für solche Unternehmen keine Bedeutung entfaltet: Insbesondere die Vorschriften zum Schutz hinweisgebender Personen vor Repressalien gilt für alle Unternehmen unabhängig von der Beschäftigtenzahl (siehe dazu auch unten unter 6.).
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Beschäftigungsgeber mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten sind dagegen verpflichtet, bis zum 17.12.2023 eine interne Meldestelle einzurichten ( Finanzdienstleistungs- und Versicherungsunternehmen sind auch von dieser Regel ausgenommen. Für diese gilt die Pflicht zur Einrichtung einer Meldestelle bereits ab 01. 07. 2023 ). Privatrechtliche Beschäftigungsgeber dieser Stufe haben nach § 14 Abs. 2 HinSchG die Möglichkeit, sich mit anderen Beschäftigungsgebern dieser Stufe zusammenzuschließen, um eine gemeinsame Meldestelle zu betreiben.
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Beschäftigungsgeber mit in der Regel mindestens 250 Beschäftigten müssen bereits seit dem 02.07.2023 eine Meldestelle eingerichtet haben. Aber: Ein Bußgeld droht bei Nichtbeachtung erst ab dem 01.12.2023. Das bedeutet, dass Sie bis spätestens zu diesem Tag eine Meldestelle eingerichtet haben sollten, um ein Bußgeld zu vermeiden. Die Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes ist aber komplex, sodass entsprechende Vorbereitungen rechtszeitig getroffen werden sollten.
Die Ermittlung der Beschäftigtenzahl wird durch das HinSchG nicht zweifelsfrei geregelt, weshalb wir Ihnen raten, bei der Ermittlung großzügig zu sein und nach dem „Kopfprinzip“ zu zählen, d. h. jede mitarbeitende Person – unabhängig von der vertraglichen Arbeitszeit – als einen Beschäftigten zu zählen. Teilzeitbeschäftigte (auch Minijobber) werden also nicht nur anteilig berücksichtigt, sondern jeweils voll gezählt.
4. Ausgestaltung und Tätigkeit einer internen Meldestelle
Der Beschäftigungsgeber muss eine oder mehrere Personen mit der Aufgabe der internen Meldestelle beauftragen. Diese internen Meldestellen müssen für Beschäftigte klare und leicht zugängliche Vorgaben erlassen, wie man verfahrenstechnisch mit Meldungen von Hinweisgebern umgeht. Dies kann z. B. durch Aushang am schwarzen Brett oder durch Einstellen der Informationen auf die Unternehmens-Website erfolgen. Falls bereits eine Meldestelle und Vorgaben hinsichtlich des Umgangs mit Meldungen im Unternehmen bestehen, muss geprüft werden, ob diese im Einklang mit den Regelungen des neuen Hinweisgeberschutzgesetzes stehen.
Hinweis: Um Ressourcen zu sparen, sollten Sie prüfen, ob ein Beschäftigter die Meldestelle in Doppelfunktion neben einer anderen Tätigkeit ausüben kann. Die Whistleblower-Richtlinie zählt beispielhaft für kleinere Unternehmen den Leiter der Compliance- oder Personalabteilung, den Integritätsbeauftragen, den Rechtsbeauftragten, den Datenschutzbeauftragten, den Finanzvorstand, den Auditverantwortlichen und Vorstandmitglieder als potentiell hierfür geeignete Kandidaten auf. Entscheidend ist jedoch, dass die Verantwortlichen bei der Erfüllung der Aufgaben keinen Weisungen unterworfen sind und kein Interessenkonflikt besteht.
Es besteht aber auch die Möglichkeit, Dritte mit der Errichtung und dem Betreiben der internen Meldestelle zu beauftragen. Die Meldestelle wird dann von einem Dienstleister (z. B. einem Rechtsanwalt) betrieben. Die übrigen Pflichten aus dem HinSchG (hierzu später) müssen aber vom Beschäftigungsgeber wahrgenommen werden und können nicht „outgesourct“ werden.
Die Aufgaben der internen Meldestelle sind:
- Betreiben von Meldekanälen,
- Bearbeiten eingehender Meldungen
- ergreifen erforderlicher Maßnahmen.
Den Beschäftigten muss ermöglicht werden, Meldungen mittels interner Meldekanäle in mündlicher oder in Textform vertraulich an die Meldestelle abzugeben. Mündliche Meldungen müssen per Telefon oder mittels einer anderen Art der Sprachübermittlung möglich sein. Um Meldungen in Textform zu ermöglichen, sollte eine (verschlüsselte) E-Mail-Adresse eingerichtet werden. Es genügt den Anforderungen des Gesetzes nicht, schriftliche Meldungen nur auf dem Postweg zu ermöglichen. Auf Wunsch der hinweisgebenden Person sollte darüber hinaus ein persönliches Treffen ermöglicht werden. Praktisch müssen Sie also einer Person in Ihrem Unternehmen die Aufgabe der Meldestelle anvertrauen und es technisch ermöglichen, dass Ihre Beschäftigten vertraulich Meldungen an diese Person abgeben können.
Insbesondere ist darauf zu achten, dass die Vertraulichkeit der Identität der hinweisgebenden Person, der Personen, die Gegenstand einer Meldung sind, sowie der sonstigen in der Meldung erwähnten Personen gewahrt wird (sog. Vertraulichkeitsgebot). Die Identität der hinweisgebenden Person soll nur den Personen, die mit der Entgegennahme der Meldungen beauftragt sind, bekannt sein.
Generell ist darauf zu achten, dass die zur Entgegennahme von Meldungen eingesetzten Personen über die nötige Fachkunde verfügen. Dies setzt zumindest die Kenntnis des HinSchG und der zu beachtenden Verfahrensvorschriften voraus. Schulungen können zu dieser Fachkunde beitragen und sind unseres Erachtens unbedingt anzuraten. Dies ist nur dann nicht erforderlich, wenn die Meldestelle durch einen Dienstleister betrieben wird. sein.
Hinweis: Es werden bereits vielfach IT-gestützte Hinweisgebersysteme angeboten, welche eine gesetzeskonforme Umsetzung von Meldekanälen sowie des einzuhaltenden Verfahrens nach einer Meldung versprechen.
Generell sind Meldungen bei den internen Meldestellen in den Unternehmen, aber auch den externen Meldestellen auf Länder- und Bundesebene möglich. Hierbei hat der Hinweisgeber grundsätzlich ein Wahlrecht. Er muss sich hierbei aber gem. § 7 HinSchG an eine Priorisierung halten. Wenn feststeht, dass der Meldegrund beim Arbeitgeber ordentlich bearbeitet wird und die Meldung auch keine Repressalien zu Folge hat, ist die interne Meldestelle vor der externen zu kontaktierten. Insgesamt ist es daher anzuraten, die interne Meldestelle möglichst vertraulich und den internen Meldeweg möglichst „attraktiv“ auszugestalten. Je leichter zugänglich und vertrauensvoller die interne Meldestelle ist, desto eher werden Beschäftigte diese, anstelle der externen Meldestellen wählen. So kann es unter Umständen vermieden werden, dass Unternehmensinterna an die Öffentlichkeit gelangen und es zu einer offiziellen Vorprüfung kommt. Mitunter hat das Unternehmen dann weniger Handlungsoptionen, die Sachlage intern aufzuklären.
Abgesehen von der Kontaktierung einer internen oder externen Meldestelle benennt das HinSchG auch die Möglichkeit der „Offenlegung von Informationen“. Hierunter fällt beispielweise die Veröffentlichung von Informationen über die Presse. Diese Offenlegung ist aber nur in eng umrissenen Ausnahmefällen als „letztes Mittel“ zulässig ( § 32 HinSchG ), etwa, wenn zuvor nach externen Meldungen keine ausreichenden Folgemaßnahmen ergriffen wurden oder hinreichender Grund zu der Annahme besteht, dass anderenfalls irreversible Schäden eintreten.
Hinweis: Über die Einrichtung der internen Meldestelle ist der Betriebsrat zu informieren. Bei der Ausgestaltung der Meldestelle sowie bei Einstellungen, Versetzungen und Weiterbildungen für die Tätigkeit in der internen Meldestelle sind ggf. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten.
5. Verfahrensablauf nach einer Meldung, Einzuhaltende Fristen
Der Eingang einer Meldung ist der hinweisgebenden Person innerhalb von sieben Tagen zu bestätigen.
Nach Prüfung der Meldung sind angemessene Folgemaßnahmen einzuleiten. Diese richten sich nach Art der Vorwürfe, der Beweislage und den sonstigen Umständen.
So kann die Meldestelle selbst interne Untersuchungen durchführen und mit den Betroffenen Kontakt aufnehmen, die hinweisgebende Person an andere zuständige Stellen verweisen, das Verfahren an andere (interne oder externe ) Stellen abgeben oder das Verfahren aus Mangel an Beweisen oder aus anderen Gründen abschließen.
Das HinSchG schreibt keine bestimmte Vorgehensweise vor. Ob und welche Folgemaßnahmen ergriffen werden, muss im Einzelfall abgewogen und entschieden werden.
Die interne Meldestelle muss die hinweisgebende Person innerhalb von drei Monaten nach Bestätigung des Eingangs der Meldung über die eingeleiteten Folgemaßnahmen und deren Gründe informieren.
Alle eingehenden Meldungen müssen vertraulich dokumentiert werden. Drei Jahre nach Abschluss des Verfahrens ist die Dokumentation zu löschen. In Fällen in dies gesetzlich geboten sowie erforderlich und verhältnismäßig ist, kann die Dokumentation auch länger aufbewahrt werden.
Hinweis: Bei der Bearbeitung von Meldungen kommt es regelmäßig zur Verarbeitung personenbezogener Daten. Folglich sind die Anforderungen der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu beachten.
6. Der Schutz hinweisgebender Personen
Hinweisgebende Personen sollen nicht nur geschützt, sondern auch ermutigt werden, über Missstände aufmerksam zu machen. Deswegen schützt sie das HinSchG vor Repressalien. So sind etwa Suspendierung, Kündigung, die Versagung einer in Aussicht stehenden Beförderung, Mobbing oder Rufschädigung einer hinweisgebenden Person verboten. Bei Verstößen steht der hinweisgebenden Person ein Schadensersatzanspruch zu. In diesem Rahmen wird bei Benachteiligungen einer hinweisgebenden Person vermutet, dass es sich um verbotene Repressalien handelt.
Umgekehrt kann aber auch die hinweisgebende Person schadensersatzpflichtig werden, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig eine Falschmeldung abgibt.
Hinweis: Die Vorschriften zum Schutz hinweisgebender Personen sind für sämtliche Unternehmen relevant – also auch für solche, die von der Pflicht zur Errichtung einer internen Meldestelle ausgenommen sind, weil sie in der Regel weniger als 50 Beschäftigte haben.
7. Sanktionen nach dem HinSchG
Verstöße gegen das HinSchG werden als Ordnungswidrigkeiten mit einer Geldbuße geahndet. Die Höhe des Bußgelds ist abhängig vom jeweiligen Verstoß. Ein Bußgeld in einer Höhe von bis zu 50.000 EUR ist denkbar, wenn eine Meldung oder die darauffolgende Kommunikation verhindert wird, vorsätzlich oder leichtfertig eine Repressalie ergriffen wird oder zumindest versucht wird, eine solche zu ergreifen, oder das Vertraulichkeitsgebot missachtet wird.
Bei Verstoß gegen die Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle droht ein Bußgeld in einer Höhe von bis zu 20.000 EUR. Bei fahrlässiger Missachtung des Vertraulichkeitsgebots droht ein Bußgeld in einer Höhe von bis zu 10.000 EUR.
Insgesamt ist es anzuraten, sich mit den Regelungen des HinSchG auseinanderzusetzen. Gerne sind wir Ihnen bei Rückfragen behilflich. Sprechen Sie uns gerne an!
Das Thema Compliance ist auf dem Vormarsch und kann zu einem Wettbewerbsvorteil führen
Den Begriff „Compliance“ trifft man aktuell sehr häufig an. Hierunter versteht man die Einhaltung von gesetzlichen Bestimmungen durch das Unternehmen und seine Mitarbeiter. In diesem unternehmerischen Kontext bezeichnet Compliance die Maßnahmen eines Betriebes, die ergriffen werden, um für eine rechtskonforme und redliche Führung der Geschäfte und das dafür notwendige Mitarbeiterverhalten zu sorgen.
Durch ein funktionierendes Compliance Management System („CMS“) können straf- und zivilrechtliche Risiken minimiert werden. Ein solches System kann zudem einen Wettbewerbsvorteil darstellen, da viele Auftraggeber ihre Aufträge nur dann vergeben, wenn ein ordentliches CMS nachgewiesen werden kann. Durch eine funktionierende Compliance Organisation kann daher nicht nur das Haftungsrisiko wegen einer behaupteten Verletzung von beispielweise Organisations- oder Aufsichtspflichten reduziert werden, sondern auch die Chancen auf einen Zuschlag bei öffentlichen Ausschreibungen erhöhen.
Das soeben vorgestellte Hinweisgeberschutzgesetz ist ein wichtiger Bestandteil eines funktionierenden CMS, da durch Hinweisgeber Gesetzesverstoße frühzeitig aufgedeckt werden und entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden können, um einen Schaden von dem Unternehmen abzuwenden oder diesen zumindest so gering wie möglich zu halten.
Haben Sie Fragen zum Thema dieser Ausgabe oder wünschen Sie eine individuelle Beratung?
Herr Rechtsanwalt Simon Eismann steht Ihnen für Rückfragen sehr gerne zur Verfügung: 0911 8151 850