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Geplante Änderungen bei der Bewertung von Immobilien für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer
In ihrem Entwurf für ein Jahressteuergesetz 2022 (JStG 2022) sieht die Bundesregierung Änderungen im Bereich der Bewertung von Immobilien für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer vor, die gegenüber den derzeitigen Vorschriften regelmäßig erheblich höhere Grundbesitzwerte und damit auch eine entsprechend höhere Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer zur Folge haben werden.
1. Hintergrund
Bereits zum 1. Januar 2022 ist die neue Immobilienwertvermittlungsverordnung (ImmoWertV 2021) in Kraft getreten. Diese enthält v. a. aktualisierte und bundesweit vereinheitlichte Regelungen zur Ermittlung der Verkehrswerte im Bereich der Immobilienbewertung. Im Zuge des Jahressteuergesetzes 2022 soll nun erstmals insbesondere eine Anpassung der Vorschriften im Bewertungsgesetz – anhand derer die Grundbesitzwerte für die Bemessung der Erbschaft- und Schenkungsteuer zu ermitteln sind – an die neue ImmoWertV erfolgen.
Die Neuregelungen sollen für alle Übertragungen nach dem 31. Dezember 2022 zur Anwendung kommen. Der neue Gesetzesentwurf zum JStG 2022 wurde von der Bundesregierung erst im Herbst dieses Jahres vorgestellt. Derzeit finden noch Beratungen im Finanzausschuss statt, die abschließende Lesung im Bundestag ist für Anfang Dezember geplant, die Zustimmung des Bundestages könnte am 16. Dezember erfolgen. Nachdem gegenüber der Entwurfsfassung im Bereich der Immobilienbewertung jedoch nicht mehr mit wesentlichen Änderungen zu rechnen ist, sollten bereits zum jetzigen Zeitpunkt etwaige Auswirkungen auf die Übertragung von Grundvermögen aus schenkungsteuerlicher Sicht bedacht werden und gegebenenfalls notwendige Schritte eingeleitet werden.
2. Bewertung des Grundvermögens
Für die Bewertung bebauter Grundstücke sieht das Bewertungsgesetz verschiedene Verfahren vor (Vergleichswert-, Ertragswert-, Substanzwertverfahren).
Für die Bewertung von bspw. Ein- und Zweifamilienhäusern sind primär Vergleichspreise für vergleichbare Grundstücke heranzuziehen. Sofern solche aber nicht in ausreichender Anzahl vorliegen, ist das Sachwertverfahren anzuwenden.
3. Geplante Änderungen
a) Immobilien, die im Ertragswertverfahren zu bewerten sind
Bei der Bewertung im Ertragswertverfahren sind ausgehend von der Jahresmiete sog. Bewirtschaftungskosten (u. a. Verwaltungs- und Instandhaltungskosten) abzuziehen. Diese wurden bislang pauschal anhand eines Prozentsatzes der Jahresmiete ermittelt. Für Mietwohngrundstücke mit einer Restnutzungsdauer von mehr als 60 Jahren waren bspw. 21 % der Jahresmiete pauschal als Bewirtschaftungskosten abzuziehen. Fortan sind u. a. in Abhängigkeit der Wohnfläche differenzierte nominale Basiswerte (in Euro) vorgesehen, die anhand eines Verbraucherpreisindex jährlich angepasst werden sollen.
Eine weitere Änderung betrifft die pauschalen Liegenschaftszinssätze, die immer dann anzuwenden sind, wenn von den Gutachterausschüssen keine geeigneten Liegenschaftszinssätze zur Verfügung stehen. Diese mindern den Gebäudeertragswert, sollen gem. des aktuellen Gesetzesentwurfs aber herabgesetzt werden, sodass sich zwingend höhere Grundbesitzwerte ergeben.
b) Immobilien, die im Sachwertverfahren zu bewerten sind
Bei der Bewertung anhand des Sachwertverfahrens sind zukünftig sog. Regionalwertfaktoren anzuwenden, um das regionale Baukostenniveau zu berücksichtigen. Diese sollen von den Gutachterausschüssen bekannt gegeben werden. Daneben soll ein Alterswertminderungsfaktor zur Anwendung kommen, der sich aus dem Verhältnis der Restnutzungsdauer zum Bewertungsstichtag zur Gesamtnutzungsdauer ergibt. Dabei wird die gesetzlich vorgesehene Gesamtnutzungsdauer u. a. für Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke und Wohnungseigentum von 70 auf 80 Jahre erhöht, was unausweichlich zu höheren Ergebnissen führt.
Daneben ist im Gesetzentwurf eine Anhebung der Wertzahlen vorgesehen, mit denen die Summe aus Boden- und Gebäudesachwert zu multiplizieren ist. Auch dies hat insbesondere in den Fällen, in denen seitens der Gutachterausschüsse keine geeigneten Sachwertfaktoren veröffentlicht werden und deshalb die pauschalen Werte anzuwenden sind, unweigerlich höhere Grundbesitzwerte zur Folge.
Beispiel
Freistehendes Einfamilienhaus, Baujahr 2000, Keller- und Erdgeschoss, ausgebautes Dachgeschoss, Brutto-Grundfläche 200 m2, Gebäudestandard zeitgemäß Basis, Grundstücksfläche 500 m2, Bodenrichtwert 200 €/m2; es stehen keine Vergleichspreise zur Verfügung; Bewertungsstichtag in 2022 bzw. 2023. Steuerklasse I, der Freibetrag i. H. v. 400.000 € gilt als bereits verbraucht.
Der für die Bemessung der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer zu berücksichtigende Grundbesitzwert würde im vorstehenden Beispiel von 541.397 € um fast 50 % auf 797.796 € ansteigen. Bereits in Steuerklasse I würde die Erbschaft- bzw. Schenkungsteuerlast damit von derzeit 59.543 € auf fortan 151.563 € ansteigen.
Die Werte beziehen sich hierbei auf den angeführten Beispielsfall. Ein pauschaler Anstieg der Grundbesitzwerte um stets 50 % kann daraus nicht abgeleitet werden, da sich z. B. aufgrund abweichender Bodenrichtwerte Unterschiede ergeben können, sodass die konkreten Auswirkungen der geplanten Gesetzesänderungen für den jeweiligen Einzelfall geprüft werden müssen. Gegenüber dem dargestellten Musterfall können sich dabei Abweichungen nach oben und unten ergeben, wobei im Vergleich zur aktuellen Gesetzeslage generell mit höheren Grundbesitzwerten – und damit i. d. R. auch einer höheren Erbschaft- bzw. Schenkungsteuerbelastung – zu rechnen ist.
Erhebliche Änderungen sind daneben auch in Erbbaurechtsfällen bei der Bewertung des Erbbaurechts selbst und des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks sowie bei der Bewertung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden vorgesehen.
4. Fazit
Die Bewertung des Grundvermögens nach Maßgabe der geplanten Neuregelungen wird in der Regel zu höheren Grundbesitzwerten und damit auch einer höheren Belastung mit Erbschaft- bzw. Schenkungsteuern führen. Betroffen sind im Wesentlichen Immobilien, die sich im steuerlichen Privatvermögen befinden oder auch im Betriebsvermögen, wenn die betrieblichen Immobilien an Dritte überlassen werden und im Rahmen der Übertragung betrieblicher Einheiten nicht steuerbegünstigt mitübertragen werden können. Unberührt bleibt zumindest die Möglichkeit des Nachweises eines geringeren gemeinen Werts anhand eines Sachverständigengutachtens, die in der Folge auch sehr viel häufiger in Anspruch genommen werden und stets in Betracht gezogen werden sollten. Auch die Schenkung von betroffenen Immobilien unter Nießbrauchsvorbehalt kann in Zukunft zur Reduzierung von Schenkungsteuerlasten in Erwägung gezogen werden. Dennoch sollte erwogen werden, geplante Übertragungen noch vor Inkrafttreten der gesetzlichen Änderungen umzusetzen, d. h. vor Jahresende 2022, v. a. wenn es aufgrund der höheren Grundbesitzwerte zu einer Überschreitung der persönlichen Freibeträge kommt und auch sachliche Befreiungen – insbesondere für sog. Familienheime bei der Übertragung zwischen Ehegatten sowie für Wohnungsunternehmen – nicht einschlägig sind.
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