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Erbschaftsteuerreform: Bundeskabinett legt Gesetzentwurf vor – lohnt sich eine Schenkung jetzt noch?
Das Bundesverfassungsgericht hat das aktuell geltende Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz als verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber zur Neuregelung aufgefordert. Wegen der nun anstehenden Erbschaftsteuerreform möchten wir Sie kurz und prägnant über die möglichen Auswirkungen informieren und Ihnen erste Handlungsempfehlungen geben.
Mit Entscheidung vom 17.12.2014 ( Az.: 1 BvL 21/12) hat das Bundesverfassungsgericht das aktuelle Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz wegen der bestehenden Steuerbefreiungen für betriebliche Einheiten als verfassungswidrig eingestuft, das Gesetz aber für vorübergehend anwendbar erklärt und dem Gesetzgeber bis zum 30.06.2016 Frist gesetzt, die bestehenden Regelungen zu überarbeiten.
Auf Grundlage eines Referentenentwurfs des Bundesfinanzministeriums hat nun das Bundeskabinett am 08.07.2015 einen Gesetzentwurf zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beschlossen.
Die geplanten Regelungen stellen keine Steuervereinfachung dar. Vielmehr beinhaltet der Gesetzentwurf neue, hochkomplizierte und voraussichtlich äußerst streitanfällige Regelungen. Es ist wohl davon auszugehen, dass es bis zum endgültigen Gesetz noch umfangreiche Änderungswünsche im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens geben wird, nachdem schon einige Bundesminister der CSU weitere Anpassungen angemahnt haben.
Inhalt des Gesetzentwurfes
Der Gesetzentwurf enthält derzeit folgende wesentlichen Punkte:
1. Inkrafttreten
Zunächst einmal ist positiv hervorzuheben, dass das neue Recht nach aktuellem Beratungsstand erst auf Erwerbe nach der Gesetzesverkündung Anwendung finden soll. Ein rückwirkendes Inkrafttreten scheint demnach vom Tisch zu sein.
Steuerpflichtige sollten prüfen, ob eine Schenkung nach aktuellem Recht günstiger ist und deshalb vorgezogen werden sollte.
2. Grundsätzliche Aufrechterhaltung der bisherigen Befreiungsregeln
Der Umfang der bisher begünstigten betrieblichen Einheiten bleibt unberührt ( land- und forstwirtschaftliche, gewerbliche und freiberufliche Betriebe und Anteile an entsprechend tätigen Personengesellschaften sowie Anteile an Kapitalgesellschaften bei Beteiligung des Schenkers /Erblassers von über 25% am Stammkapital).
Auch der bisherige Abzugsbetrag für solche betriebliche Einheiten von 150.000 € bleibt in der bisherigen Form bestehen.
Bleiben soll es auch bei der bisherigen Regelverschonung von 85 % und Optionsverschonung von 100 % mit den bekannten Lohnsummenschwellen und Haltefristen.
Eine Ausdehnung der Befreiung auf nicht betriebliche, private Vermögenssphären (z.B. umfangreiche Vermietung und Verpachtung, Kapitalvermögen) erfolgt leider nicht!
3. Neuerungen bei den Lohnsummenregelungen
- Nach wie vor, sollen übertragene Betriebe etc. bestimmte Lohnsummen einhalten müssen und zwar bei der Regelverschonung (85 %) muss die durchschnittliche jährliche Lohnsumme der letzten 5 Jahre zu 400 % in den nächsten 5 Jahren der Schenkung eingehalten werden,
- bei der Optionsverschonung (100 %) sogar zu 700 % in den nächsten 7 Jahren.
Bei Unterschreitung dieser Grenzen fallen die Befreiungen anteilig weg.
Nach dem Gesetzentwurf sollen aber die bisherigen Ausnahmen von der Lohnsummenregelung erheblich eingeschränkt werden. Bisher brauchten nur Betriebe mit maximal 20 Beschäftigten die Lohnsummengrenzen nicht einhalten. Jetzt soll diese Ausnahme nur noch für Betriebe mit bis zu maximal 3 Beschäftigten gelten, während für Betriebe mit 4 -10 Beschäftigten die Mindestlohnsumme zwar eingehalten werden muss, aber von 400 % auf 250 % (bzw. für die Optionsverschonung von 700 % auf 500 %) sinkt, bei Betrieben mit 11-15 Beschäftigten nur auf 300 % (bzw. für die Optionsverschonung nur auf 565 %).
Nunmehr müssen auch Betriebe mit mehr als 10 Beschäftigten die Mindestlohnsumme im vollen Umfang einhalten, wenn eine anteilige Minderung des Verschonungsabschlags verhindert werden soll.
4. Komplette Neuregelung des „begünstigten“ Vermögens
Die bisherige Regelung zum steuerschädlichen Verwaltungsvermögen soll grds. vollständig gestrichen werden und durch sog. „nichtbegünstigtes“ ( schädliches ) Vermögen ersetzt werden.
Bisher ist sog. passives Vermögen (vermietete Grundstücke, Wertpapiere, Kunstgegenstände und Kleinstbeteiligungen an Kapitalgesellschaften ) grds. schädliches Verwaltungsvermögen, das bei Über- schreiten bestimmter Grenzen die Verschonungsabschläge komplett entfallen lässt, darunter aber komplett zu 85 % oder zu 100 % steuerfrei mitverschenkt oder vererbt werden darf („Alles- oder Nichts-Prinzip“).
Zukünftig ist Verwaltungsvermögen nicht mehr schlechthin steuerschädlich oder steuerunschädlich, sondern wird bei Ermittlung des begünstigten Vermögens ausgesondert. Die Verschonungsabschläge finden dann auf das begünstigte Vermögen grds. keine Anwendung. Zum nicht begünstigten Vermögen sollen solche Teile des Betriebsvermögens gehören, die nicht „überwiegend“ einer originär betrieblichen Tätigkeit (Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetriebe und Selbständige) „als Hauptzweck dienen“. Als „nicht dem Hauptzweck“ ( der betrieblichen Tätigkeit ) dienend, werden diejenigen Teile des betrieblichen Vermögens angesehen, „die, ohne die eigentliche betriebliche Tätigkeit zu beeinträchtigen, aus dem Betriebsvermögen herausgelöst werden können“.
Wie bisher sollen jedoch Finanzmittel zum schädlichen (nichtbegünstigten ) Vermögen zählen, soweit ihr Nettowert ( nach Abzug von Schulden) 20 % des Verkehrswertes der betrieblichen Einheit überschreitet.
Nichtbegünstigtes Vermögen kann aber ausnahmsweise dann doch steuerfrei sein, wenn sein Nettowert (wiederum nach Abzug von Schulden) 10 % des Nettowertes des Betriebes nicht übersteigt.
Sog. „junges“ nicht begünstigtes Vermögen, das dem Betrieb noch keine 2 Jahre zuzurechnen ist, bleibt aber stets steuerpflichtig.
Auch Kaskadeneffekte sollten beseitigt werden, wodurch es bei mehrstufigen Gesellschaftsebenen möglich war, schädliches Verwaltungsvermögen auf verschiedenen Ebenen zu verteilen, um somit das gesamte Verwaltungsvermögen nach dem „Alles- oder Nichts-Prinzip“ steuerfrei zu behandeln. Vielmehr soll in Zukunft eine umfangreiche und arbeitsintensive, konsolidierte Vermögensbilanz erstellt werden, in der das gesamte nicht begünstigte Vermögen einer Firmengruppe zusammengefasst werden soll.
Positiv ist zwar, dass die Gesetzesbegründung nun generell von betriebsnotwendigen Grundstücksvermietungen wie z. B. bei sog. Betriebsaufspaltungen wohl von einer begünstigen Tätigkeit ausgeht. Die neuen Begriffl ichkeiten dienen aber sicherlich nicht zur Verbesserung der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Ob das begünstigte Vermögen aber vollumfänglich deckungsgleich mit den bisher im Steuerrecht verwendeten Begriffen wie „notwendiges Betriebsvermögen“ oder „wesentliche Betriebsgrundlagen“ ist, oder auch andere Vermögensteile, wie das „gewillkürte Betriebsvermögen“ umfasst, darüber kann aktuell nur spekuliert werden.
5. Abschmelzung der Verschonungsabschläge bei Großvermögen
Eine wesentliche Änderung besteht darin, dass der Verschonungsabschlag (85 % bzw. 100 %) bei geschenktem Großvermögen, hier begünstigtes Vermögen von mehr als 26 Mio. €, nicht mehr vollständig gewährt werden soll. Erwerbe innerhalb von zehn Jahren werden dabei zusammengerechnet.
Hier sollte auch nicht übersehen werden, dass nach dem von der Finanzverwaltung angewendeten sog. vereinfachten Ertragswert verfahren und den aktuell geltenden Kapitalisierungsfaktoren (2015: Faktor 18,21) auch schon Unternehmen mit einem Gewinn ( vor Steuern ) von jährlich ca. 2,0 Mio. € Gefahr laufen, die Wertgrenze von 26 Mio. € zu überschreiten.
Für solche Großvermögen wird der Verschonungsabschlag zunehmend abgeschmolzen. Abgeschmolzen wird der Verschonungsabschlag jeweils um ein Prozentpunkt für jede volle,5 Mio. €, um die der Wert des begünstigten Vermögens die Grenze von 26 Mio. € übersteigt und zwar
- bei der Regelverschonung von 85 % auf bis zu 25 % und
- bei der Optionsverschonung von 100 % auf bis zu 40 %.
Übersteigt der Wert des begünstigten Vermögens jedoch 116 Mio. € kann allenfalls ein Abschlag von 20 % (Regelverschonung) bzw. 35 % (Optionsverschonung) beantragt werden.
Die Freigrenze von 26 Mio. € erhöht sich auf 52 Mio. € (sowie die weitere Grenze von 116 Mio. € wird auf 146 Mio. € angehoben), wenn es sich um den Erwerb von Gesellschaftsanteilen handelt und der Beschenkte erhebliche Verfügungsbeschränkungen hinnehmen muss. Zur Erhöhung der Freigrenze ist es erforderlich, dass der jeweilige Gesellschaftsvertrag vorsieht, dass
(a) Entnahmen und Gewinnausschüttungen nahezu vollständig beschränkt werden,
(b) die Verfügung über Anteile auf Angehörige im Sinne des §§ 15 AO beschränkt ist und
(c) für den Fall des Ausscheidens lediglich eine Abfi ndung vorgesehen ist, die erheblich unter dem Verkehrs- bzw. Marktwert des Anteils liegt.
Diese Voraussetzungen müssen zehn Jahre vor und 30 Jahre nach dem Zeitpunkt der Anteilsübertragung vorliegen. Diese geplanten Fristen und die Nachteile aus den Verfügungsbeschränkungen sind hart und eignen sich daher kaum dazu, dass man sie in Gestaltungsüberlegungen mit einbezieht.
6. Alternative Verschonungsbedarfsprüfung bei Großvermögen
Der Gesetzentwurf sieht auch eine völlig neue Verschonungsbedarfsprüfung vor und zwar als Alternative zur ( teilweisen ) Verschonung von Großvermögen. Werden die Grenzen von 26 / 52 Mio. € überschritten, wird die Steuer zwar festgesetzt, jedoch auf Antrag erlassen, soweit der Erwerber nachweist, dass er persönlich nicht dazu in der Lage ist, die Steuer aus seinem sog. verfügbaren Vermögen (50 % des durch Erbschaft oder Schenkung übergegangenen und bereits vorhandenen nicht begünstigten Vermögens) zu begleichen. Der Erlass ist von verschiedenen aufl ösenden Bedingungen abhängig (z. B. die Halte fristen sowie die Lohnsummengrenzen). Die teuer kann aber auch auf Antrag bis zu 10 Jahre gestundet werden.
Fazit
Erfreulich ist, dass der Gesetzgeber grds. an der bisherigen Befreiung von betrieblichen Einheiten (85 % oder 100 %) festhalten will.
Es gibt aber auch erhebliche Nachteile:
- Die Lohnsummengrenzen greifen nun auch verstärkt bei kleineren Betrieben ein;
- Für Großvermögen sind die Regelungen deutlich nachteiliger, weil die Befreiungsgrenzen erheblich abgeschmolzen werden;
- Die bisherige Möglichkeit, sog. ( schädliches ) Verwaltungsvermögen ggfs. im Gestaltungswege weitestgehend steuerfrei zu übertragen, wird in Zukunft wegfallen;
Der neue Gesetzentwurf ist höchst kompliziert formuliert und ist verstärkt auslegungsbedürftig, was den Umfang des begünstigten Vermögens anbelangt. Es wird voraussichtlich Jahre dauern, bis die Gerichte und die Finanzverwaltung hier für ausreichend Rechtssicherheit gesorgt haben.
Steuerpflichtige sollten daher genau prüfen, ob eine Schenkung unter den aktuell geltenden Befreiungsvorschriften die rechtssichere Variante ist, um umfangreiches Vermögen steuerfrei auf die nächste Generation zu übertragen.
Die Autoren dieser Ausgabe:
Dr. Walter Schwarz Rechtsanwalt,
Wirtschaftsprüfer, Steuerberater
walter.schwarz@schwarzundpartner.de
Herr Dr. Schwarz ist seit vielen Jahren spezialisiert auf die Beratung und Begleitung mittelständischer Unternehmen, ihrer Inhaber und deren Familien. Sein Fokus liegt dabei u. a. auf der Gestaltung und Beratung von Vermögens- und Unternehmensnachfolgen.
Herr Dr. Schwarz hält regelmäßig bundesweit zahlreiche Vorträge ( u. a. für Banken, das IWW-Institut sowie Steuerberaterverbände) und ist Autor für rechts- und steuerberatende Fachverlage
Dr. Fabian Schmitt-Homann Rechtsanwalt,
Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater
fabian.schmitt-homann @schwarzundpartner.de
Herr Dr. Schmitt-Homann hat langjährige Berufserfahrung in der Beratung von Familienunternehmen und vermögenden Privatpersonen. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind die Rechts- und Steuerberatung bei Unternehmens- und Vermögensnachfolgen, Umstrukturierungen, Stiftungen und gemeinnützige Körperschaften sowie die Führung von Steuerstreitverfahren.
Herr Dr. Schmitt-Homann ist ebenfalls Autor für rechts- und steuerberatende Fachverlage.
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